Andreas Kampa



Chaussee der Enthusiasten


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9. November 2011

Angela Merkel tritt vor die Presse, um den erfolgreichen Abschluss der G20-Verhandlungen bekannt zu geben. Beiläufig erklärt sie der verblüfften Weltöffentlichkeit, dass man auch die Wiedereinführung der 2-Staaten-Regelung beschlossen habe. Als ein italienischer Journalist nachhakt, ab wann die neue Regelung denn gelte, antwortet Merkel: „Nach meiner Kenntnis sofort, unverzüglich.“
Die Nachricht schlägt ein wie eine Bombe. Noch in der Nacht strömen Tausende ehemaliger DDR-Bürger aus dem Westen Richtung Mauerstreifen, um rechtzeitig vor Mauerbau wieder im Osten zu sein. Viele haben Tränen in den Augen: „Das ick dit noch erleben darf! Ick hab erlebt, wie die Mauer abgerissen wurde, jetzt wird se endlich wieder uffjebaut. Wahnsinn! Wahnsinn!“ Am Straßenrand werden sie freudig von ihren Westberliner Mitbürgern verabschiedet. Journalisten fragen die Neuankömmlinge, worauf sie sich am meisten freuen. „Dass et keene Bananen mehr jibt. Ick kann die janzen Südfrüchte nicht mehr sehen.“ Andere sagen: „Hauptsache nich mehr reisen dürfen. Ick wollte doch damals nur mal gucken. Da brauch ick do nich 20 Jahre für.“
Vor dem Roten Rathaus stimmen Klaus Wowereit und Gregor Gysi spontan die DDR-Nationalhymne an. Die Menge skandiert: „Deutschland – zweiig Vaterland.“ Altkanzler Helmut Schmidt spricht den geschichtsträchtigen Satz: „Nur geteilte Freude ist doppelte Freude.“ Wowereit ergänzt: „...und das ist auch gut so.“

10. November 2011

Der Unmut in der Bevölkerung wächst, weil sich die Arbeiten an der Mauer verzögern. Menschenmassen versammeln sich am Mauerstreifen. Sprechchöre werden laut: „Die Mauer muss her! Die Mauer muss her.“ An Westberliner Banken bilden sich lange Schlangen, weil viele DDR-Bürger ihr Abschiedsgeld bezahlen wollen: „Damit wa endlich quitt sind.“ Im Fernsehen werden die neuen Reisebeschränkungen diskutiert, die den meisten nicht weit genug gehen. „Ick will nich einmal im Jahr in Westen reisen dürfen. Wat soll ick denn meine Tante sagen, warum ick se am Jeburtstag nich besuchen komme?“

11. November 2011

Ein Runder Tisch aus den Ministerpräsidenten der fünf neuen Länder und ehemaligen Bürgerrechtlern übernimmt vorübergehend die Regierungsgeschäfte der DDR, bis ein neuer Diktator gefunden ist. Egon Krenz lehnt das Angebot, diese Aufgabe zu übernehmen, ab mit der Begründung, er fühle sich noch zu jung für den Job. Währenddessen trifft sich Angela Merkel in Bonn, der neuen Hauptstadt Westdeutschlands, mit den Regierungschefs der USA, Frankreichs, Großbritanniens und Russlands zu Verhandlungen über die Wiederaufnahme des Vier-Mächte-Status. Die Gespräche gestalten sich schwierig, weil Putin nicht schon wieder den Osten haben will.

12. November 2011

Zu einem Umtauschkurs von 2:1 wird die Ostmark wieder eingeführt. Über Nacht verschwinden alle Waren aus den Regalen. Trotzdem bilden sich lange Schlangen vor den Geschäften, damit sich die Leute auf Wartelisten eintragen für die Ostsachen, wenn es wieder welche gibt.

13. November 2011

Ungarn macht vorsichtshalber die Grenze zu Österreich dicht, um von der neuen Entwicklung in Deutschland nicht angesteckt zu werden. Polen und Tschechien ziehen nach. In der Prager Botschaft sammeln sich daraufhin Hunderte ehemaliger DDR-Bürger, die nicht mehr zurück an ihre Westdeutschen Arbeitsplätze wollen. Guido Westerwelle fährt zur Klärung der Sache nach Prag. Gegen Mitternacht betritt er den Balkon der Prager Botschaft und verkündet: „Ich bin gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute ihre Ausreise ...“ Der Satz erstickt im Jubel der Menschen.

14. November 2011

Auf Beschluss des Runden Tisches werden nach dem Prinzip Rückgabe vor Entschädigung die Stasiakten wieder der Stasi übergeben. Außerdem soll das Wahlsystem vereinfacht werden. Um mehr Planungssicherheit zu erreichen, sollen die Ergebnisse nach wissenschaftlichen Methoden errechnet werden, die der interessierte Bürger dann nur noch der Presse zu entnehmen braucht.

15. November 2011

Der Saarländer Oskar Lafontaine wird neuer Staatsratsvorsitzender der DDR. Spontan bilden sich in Leipzig Jubelkundgebung mit der Parole: „Oskar ist das Volk.“

16. November 2011

Die deutsche Zweiheit ist wiederhergestellt. Auf dem ehemaligen Platz des Palastes der Republik wird in einem Festakt der 41. Jahrestag der DDR nachgeholt. Die Menschen in Ost und West blicken frohen Mutes der Vergangenheit entgegen.